Montag, 18. Juli 2016
Wenn der Tag beginnt
Morgens, wenn der Tag beginnt und stilles Erwachen die Dunkelheit verdrängt, hat jede Mutter die Möglichkeit, ihr Kind nicht mehr zu bestrafen, sondern sanft zu wiegen und ihm zu zeigen, wie großartig es ist.

Morgens, wenn der Tag beginnt und die Jungfräulichkeit des Lebens wie seit Anbeginn der Zeit ihren Tanz eröffnet, hat jeder Nachbar die Möglichkeit, die Schreie von nebenan nicht mehr zu überhören.

Morgens, wenn der Tag beginnt und farbige Helligkeit die Schöpfung erstrahlen lässt, hat jeder Kämpfer die Möglichkeit, seine Waffe niederzulegen und den Fremden als Freund zu begrüßen.

Morgens, wenn der Tag beginnt, das Gestern Vergangenheit und die Zukunft ein Mysterium ist, hat jeder Mensch die Möglichkeit, das Wunder des Werdens für sich zu entdecken.

Morgens, wenn der Tag beginnt und die Natur unaufgefordert in vollkommener Harmonie ihren Kreislauf vollzieht, hat jeder von uns die Möglichkeit, ein Lächeln zu schenken, einander zu Hände zu reichen und das Leben in seiner ganzen Vielfalt zu lieben.

Morgens, wenn der Tag beginnt und sich das Paradies vor uns entfalten will, können wir ganz tief im Innern der Stimme lauschen, die da flüstert:
"Heute mache ich es anders."

Hilda P.

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Sonntag, 17. Juli 2016
Der Frisörbesuch
Alle paar Monate bleibt mir leider nichts anderes übrig, als einen Frisörtermin zu vereinbaren. Da es sich für mich dabei nicht um ein beauty-event, sondern vielmehr um ein notwendiges Übel mit ungewissem Ausgang handelt, versuche ich stets, mein Vorhaben schnellst möglich, d.h. mit den derzeit terminlich verfügbaren Angestellten des örtlichen Frisörs zeitnah umzusetzen. Nachdem ich mir zum x-ten Mal von der Chefin die Geschichte mit der Elternzeit und der daraus resultierenden verminderten Stundenzahl einer Dame namens Sonja angehört hatte, erhielt ich für den nächsten Tag einen Termin bei Becky. Wunderbar.

Ich war die erste Kundin, Becky noch nicht da und die Chefin führte ein wohl sehr wichtiges Telefonat; es ging um die Elternzeit einer ihrer Angestellten. Aber dann kam Becky - eine junge, schlanke, rothaarige Frau, noch leicht in eine Nikotinwolke eingehüllt. Sie begrüßte mich freundlich und eröffnete das Gespräch mit einem Bericht über ihre momentane gesundheitliche Situation; sie sei seit fünf Uhr wach, hätte Bindehautentzündung, würde eigentlich nicht richtig sehen und käme gerade vom Arzt. Das hatte mich etwas verunsichert und ich fragte vorsichtig nach, ob sie denn nun arbeiten könne. Sie beruhigte mich jedoch sofort, indem sie mir erklärte, ja sowieso nach Gefühl zu schneiden. Es gäbe zwar Schnittlinien, aber ihr Stil sei eher vom Gefühl geprägt. Ich war ausgeliefert und sie in ihrem Element. Sie hatte sich warm geredet. Ich erfuhr sogleich die Krankheiten ihres Freundes und gratis dazu, welche gerade im Umlauf seien, also genauer gesagt Sommergrippe und Magen-Darm-Infekte.

Warum wird mir so etwas ungefragt erzählt? Strahle ich eine Kränklichkeit oder besonderes Interesse an dieser Thematik aus? Bin ich mittlerweile in einem Alter, in dem man mit mir sicherheitshalber Themen aus einer einschlägigen Apothekenzeitschrift wählt? Eine Freundin berichtete mir neulich von einem Frisörbesuch, wo eine sich genüsslich räkelnde Angestellte von ihrem nächtlichen super Sexerlebnis schwärmte. Hm. Nun gut. Ich beschloss, auf keinen Fall in das Gespräch von Becky näher einzusteigen. Das war aber auch nicht nötig. Sie war voll in Fahrt. Gehört das womöglich zur Ausbildung dazu? Gibt es vielleicht sogar ein Fach "Kundenunterhaltung"? Oder wird man zwangsläufig so nach einiger Zeit, auch wenn man als ganz stille, nicht redefreudige Person eine Frisörlehre beginnt?

Auf jeden Fall wurde es dramatischer. Becky schabte unentwegt in ihrer speziellen Technik einzelne Haarsträhnen stufenweise ab und wir waren mittlerweile auf der Intensivstation mit ihrer kleinen Nichte und einem Baby mit Herzfehler, dessen alkoholkranke Mutter sich nicht kümmerte.

Und dann geschah das Wunder! Plötzlich und unerwartet nahm das Gespräch eine Wendung und ich erfuhr, warum Becky ihren Beruf gewählt hatte. Es war eine Folge traumatischer Erlebnisse. Als Kind wollte sie sich einmal wie ihre Mutter frisieren, drehte sich selber das Pony auf eine dicke Rundbürste, fixierte mit extra viel Haarspray und daraufhin ließ sich die Bürste leider nur noch durch den beherzten Eingriff einer benachbarten Putzfrau entfernen; sie schnitt die verfangenen Haare einfach fein säuberlich wie eine Rasenkante ab. Das Ergebnis war ernüchternd. Ich musste laut lachen.

Doch dann kam es noch besser. Mit dreizehn wollte Becky (sie hatte lange blonde Haare) endlich eine schicke Kurzhaarfrisur und ging zum ersten Mal alleine zum Frisör. Das Ergebnis war auch dieses Mal nicht vorhersehbar und leider nicht mehr zu ändern. Kurze und lange Haare wechselten sich unsystematisch ab; es muss so grausam ausgesehen haben, dass nicht nur Becky, sondern auch ihre Mutter entsetzlich weinen mussten. Mir kamen langsam die Tränen vor Lachen.

Becky blieb gelassen und berichtete staubtrocken weiter vom nächsten Trauma. Sie war etwas älter, hatte endlich die begehrte Kurzhaarfrisur, einen Freund und probierte eifrig diverse Fixiermittel aus, damit die Haare ihre entsprechende Position behielten. Das schränkte leider das Alltagsleben ziemlich ein, denn öffnete man z.B. ein Fenster während der Autofahrt, erstarrte die Frisur auf der entsprechenden Seite zu einem Block, der zum Gefängnis für alle aus Versehen hineinfliegenden Insekten und andere Flugpartikel wurde. Auch das sanfte Streicheln ihres Freundes wurde zum Abenteuer mit Verletzungsgefahr.

An mir wurde weiterhin fleißig geschabt, ich fiel vor Lachen fast vom Stuhl, die Chefin schaute mit seltsam irritierten Gesicht zu uns herüber, und Becky holte zum Finale aus. Sie war zur Hochzeit eingeladen und ging morgens noch zum Frisör. Der Plan war eine Aufhellung ihres Blondtones und eine dezente türkisfarbene Strähne im Pony. Sie wollte ein schwarzes Kleid tragen und hatte das Ergebnis schon vor Augen. Leider entsprach die Realität nach der Fertigstellung überhaupt nicht dem ursprünglichen Vorhaben; der Frisör hatte sie quittengelb eingefärbt und über dem Gesicht verlief quer ein algengrüner breiter Balken. Sie war natürlich der Star des Abends.

Dann war Becky fertig. Leider. Ich wurde noch einmal kurz nass gespritzt, durchgeknetet und zog noch immer grinsend von dannen. Zu Hause habe ich dann festgestellt, dass ich noch nie einen so tollen Haarschnitt hatte.

Danke Becky - danke für alles!

Hilda P.

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Sonntag, 12. Juni 2016
Nur eine Tasse Kaffee?
Die Schweizerin Sarah Marquis begibt sich an ihrem 38. Geburtstag auf eine dreijährige Abenteuerreise von Sibirien bis Australien. 16.000 km allein. Zu Fuß durch die Wildnis. Als sie nach zwei Jahren per Frachter in Australien anlandet, ist Kaffee das erste, an das sie denkt. Sie setzt sich in die Fußgängerzone und bestellt einen Milchkaffee mit extra viel Schaum:-)

"Ich nahm die Tasse in beide Hände, als sei sie ein äußerst zerbrechlicher und wertvoller Gegenstand, und nippte am Kaffee. Ich schloss die Augen und lächelte. Das Wohlgefühl, das dieser Moment mir schenkte, ist unbeschreiblich!"

(S. Marquis "Allein durch die Wildnis")

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